Olli’s Spot-Guide

Jeder Spot erzählt seine eigene Geschichte. Manche flüstern vom Morgengrauen in leeren Line-Ups, andere schreien nach Adrenalin und Big Waves.

Hier geht’s um mehr als nur Wellen: Es geht um Orte, an denen Surfer träumen, scheitern, feiern – und manchmal ein Stück zu sich selbst finden.

Olli’s Auswahl ist eine Hommage an Küsten mit Charakter, Geschichte und Seele.

Surfkultur zwischen Barrels, Boardshorts und Outlets

Hossegor, Frankreich

Hossegor ist nicht einfach ein Surfspot – es ist die inoffizielle Surfhauptstadt Europas. Zusammen mit dem Nachbarort Capbreton wartet hier eine ganze Küste voller Beachbreaks, Barrels und Boardshops. Am bekanntesten: La Gravière in Hossegor für schnelle, kräftige Wellen und La Piste in Capbreton – kraftvoll, hohl und nicht immer anfängerfreundlich. Wer’s entspannter mag, checkt den Plage Santocha – eine Ecke weiter, deutlich softer.

Zwischen Pinienwald und Atlantik sitzen hier auch die europäischen Headquarter von Marken wie Quiksilver, Rip Curl, Billabong, Volcom und Roxy – Factory Outlets inklusive. Ob zum Surfen, Shoppen oder einfach nur Küstenluft tanken: Hossegor & Capbreton sind ein Pflichtstopp für alle, die den Surf-Lifestyle fühlen wollen – egal ob mit oder ohne Brett.

Wellen, weiß-blaue Gassen und der Duft von Pão com chouriço

Ericeira, Portugal

Nur 40 Minuten von Lissabon entfernt liegt Ericeira, das erste World Surfing Reserve Europas. Sieben Surfspots auf engstem Raum machen das ehemalige Fischerdorf zur Pilgerstätte für Wellenhungrige. Ribeira d’Ilhas, Coxos oder São Julião – jeder Break hat seinen eigenen Charakter und sein eigenes Publikum.

Während São Julião auch Anfängern entgegenkommt, gelten Spots wie Coxos als anspruchsvoll. Im Wasser und im Line-Up. Olli kennt die Ecke gut – und weiß, dass man sich Respekt hier nicht ersurft, sondern verdient. Localism ist spürbar, aber wer sich einfügt statt aufzuspielen, wird nicht schief angeschaut.

Abseits der Wellen überzeugt Ericeira mit weiß getünchten Häusern, gepflasterten Gassen und dem Duft von frischem Pão com chouriço aus der Padaria nebenan. Zwischen Atlantik und Altstadt findet man hier nicht nur gute Wellen, sondern auch diese Momente, in denen sich die Welt einfach mal etwas langsamer dreht.

Wenn Delfine mit dir um die Wette surfen

J-Bay, Südafrika

Morgens in Jeffreys Bay – oder einfach „J-Bay“, wie die Surfwelt sagt: Die ersten Sonnenstrahlen glitzern auf dem Wasser, während du im Line-Up sitzt und auf die nächste Setwelle wartest. Die Wellen brechen sauber und beständig entlang der Bucht – eine rechte Wand aus Wasser, die scheinbar ewig läuft. Neben dir tauchen ein paar Delfine auf und surfen spielerisch die Wellen mit – ein magischer Moment, der zeigt, wie sehr Natur und Surfer hier im Einklang sind. In solchen Augenblicken spürst du, warum dieser Spot seit Jahrzehnten eine Pilgerstätte für Surfer aus aller Welt ist.

Zwischen bunten Häuschen und alten Surfshops spürst du den Mix aus internationaler Surfszene und südafrikanischer Gelassenheit. Die Locals begrüßen dich mit einem lässigen „Howzit“ und erzählen gern von früher – von legendären Wettkämpfen und jener berühmten Szene, als Jeffreys Bay im Surf-Film Endless Summer verewigt wurde.

Hungrig vom Paddeln gönnst du dir fangfrische Calamari – eine lokale Spezialität – und ein kühles Craft-Bier mit Blick aufs Meer. Während in der Abenddämmerung die letzten Wellen an den Pointbreak rollen, wird dir klar, dass Jeffreys Bay mehr ist als nur ein Surfspot: Es ist ein Ort voller Herz und Gemeinschaft, an dem die Zeit in Wellen gemessen wird.

Warmes Licht, pointbreak perfection und der Duft von Minztee

Taghazout, Marokko

Kaum ein Ort steht so sehr für marokkanischen Surfspirit wie Taghazout. Das einst verschlafene Fischerdorf nördlich von Agadir hat sich zum Hotspot für Wellen, Surfcamps, Yoga und Rooftop-Sonnenuntergänge entwickelt. Besonders bekannt: die drei Pointbreaks Banana Point, Anchor Point und Killer Point – je nach Swellgröße mal sanft, mal gnadenlos.

Anchor Point rollt an guten Tagen wie aus dem Lehrbuch und zieht Pros aus aller Welt an. Banana Point ist der perfekte Einstieg in die Line-Ups der Region. Und wer’s kraftvoll mag, paddelt raus zu Killer Point – lang, hohl und manchmal wild.

Tagsüber Souks, Tajine und Minztee, abends ein Sundowner mit Blick auf’s Line-Up: Taghazout ist mehr als ein Surfspot, vor allem ein Ort im Wandel. Der Surfboom hat das Dorf sichtbar verändert. Viele Ecken wirken mittlerweile touristisch, das ursprüngliche Marokko ist oft nur noch Kulisse. Wer es ruhiger, authentischer und ursprünglicher mag, sollte die Küstenstraße Richtung Norden nehmen – dort warten kleine Orte wie Tamri oder Tafedna mit leereren Line-Ups und ehrlichem Charme.

Hier endet dein Ego – oder dein Board

Teahupo’o, Tahiti

An der Südwestküste Tahitis zählt Teahupo’o zu den eindrucksvollsten Wellen der Welt. Der Swell trifft hier auf ein flaches, messerscharfes Riff und formt Barrels, die fast zu perfekt aussehen, um wahr zu sein – und sich auch so anfühlen. Nur eben härter.

Der Spot ist Teil der Championship Tour und wird Austragungsort der Olympischen Spiele 2024. Die Welle verlangt Technik, Kontrolle und starke Nerven. Wer hier surft, muss wissen, was er tut.

Abseits des Line-Ups bleibt es ruhig: Ein kleines Dorf, sattes Grün, keine riesigen Hotelanlagen. Statt Trubel gibt’s Palmen, Boote und türkisfarbenes Wasser. Teahupo’o ist kein Ort für Show – sondern einer, den man nicht mehr vergisst.

Smoothie Bowl im Bauch, Riff unter’m Brett

Uluwatu, Bali

Uluwatu liegt auf der Bukit-Halbinsel im Süden Balis – zwischen steilen Klippen, engen Höhlenzugängen und dem Sound brechender Lefts. Wenn der Swell passt und die Tide mitspielt, reiht sich hier Section an Section: The Peak, Racetracks, Outside Corner. Mal soft, mal gnadenlos – aber nie langweilig.

Der „Bali-Surfer“ ist oft perfekt tätowiert, wohnt in Canggu, bestellt Smoothie Bowls und hat ein Brett unterm Arm, das mehr gesehen als gesurft wurde. In Uluwatu trennt sich das: Wer hier zur falschen Tide ins Wasser springt, bekommt schnell Nachhilfe in Sachen Positioning und Riff-Kontakt.

Trotz allem bleibt der Vibe entspannt. Zwischen Warungs, Tempelgängen und klapprigen Rollern spielt sich das Leben ab. Wer hier surft, isst danach Nasi Goreng mit Blick auf die Sets und trinkt sein Bintang mit Blick aufs Riff. Uluwatu ist laut, schön, fordernd – und genau deshalb zieht es jeden irgendwann dorthin.

Perfektion, Power und pure Ehrfurcht

Pipeline, Hawaii

An guten Tagen ist Pipeline eine der perfektesten Wellen der Welt – und eine der gefährlichsten. Direkt vor dem Strand von Ehukai auf Oʻahu bricht der Swell über ein flaches Riff, explosiv, hohl und unberechenbar. Wer hier surft, braucht mehr als Skills – Timing, Mut und Respekt entscheiden darüber, ob du gleitest oder gefressen wirst. Das Line-Up gehört den Locals und wer sich hier reinwagt, sollte wissen, was er tut.

Gleich hinter dem Strand beginnt der North Shore: ein entspannter Mix aus Shave Ice, Food Trucks, Surfshops und Hängemattenmentalität. Das nahegelegene Haleʻiwa ist der soziale Knotenpunkt – mit Cafés, Galerien und einem Gefühl von Aloha, das man nicht erklären kann, sondern nur erlebt. Und während du dein Poké-Bowl löffelst und die Wellen hörst, wird dir klar: Hier geht es nicht nur ums Surfen, sondern darum, wie man lebt, wenn die Welt gerade perfekt rollt.

Surfen mitten in der Stadt

Eisbach, Deutschland

Mitten im Englischen Garten von München rauscht der Eisbach – ein Seitenarm der Isar. Gleich am südlichen Eingang entsteht dort die berühmte stehende Welle, auf der seit den 70er-Jahren gesurft wird. Ursprünglich war die Welle ein zufälliges Produkt der Strömung – mit der Zeit wurde sie durch eine eingebaute Holzkonstruktion so verändert, dass sie dauerhaft surfbar blieb.

Die Eisbachwelle ist schnell, kraftvoll und technisch anspruchsvoll. Anders als im Meer bewegt sich das Wasser unter dem Board hindurch – man bleibt auf der Stelle. Der Bewegungsablauf unterscheidet sich stark vom Ozeansurfen und stellt selbst erfahrene Surfer vor neue Herausforderungen.

Wer sich langsam herantasten will, kann weiter flussabwärts an der Dianabadschwelle üben – auch als Eisbach 2 bekannt. Eine weitere Möglichkeit ist die O₂ Wave am Münchner Flughafen, eine künstlich erzeugte Welle, die regelmäßig für Trainings und Events genutzt wird.

Kleine Stadt. Große Wellen. Noch größere Geschichten.

Nazaré, Portugal

Nazaré ist der Ort, an dem der Atlantik sich austobt – und die höchsten Wellen der Welt brechen. Möglich macht das der Nazaré-Canyon, ein über 230 Kilometer langer Unterwassergraben, der direkt vor dem Praia do Norte endet und den Swell nahezu ungebremst auf die Küste treffen lässt. Das Ergebnis: Wassermassen, die in schwindelerregende Höhen von über 25 Metern anwachsen können.

Ein Ort für Legenden und deutsche Surfgeschichte: Sebastian Steudtner, Big-Wave-Surfer aus Nürnberg, stellte hier am 29. Oktober 2020 den offiziellen Weltrekord für die größte jemals gesurfte Welle auf. Sein Ritt der 26,21 Meter hohen Welle wurde von der World Surf League und Guinness World Records anerkannt. Im April 2024 surfte Steudtner sogar eine 28,57 Meter hohe Welle, die offizielle Bestätigung dieses neuen Rekords steht jedoch noch aus.

Trotz des globalen Hypes hat sich Nazaré seinen authentischen Charme bewahrt. In den Lokalen wird Arroz de Marisco serviert, an der Promenade schaukeln alte Fischerboote, und vom Forte de São Miguel Arcanjo aus beobachten Schaulustige das beeindruckende Naturschauspiel. Hier trifft bodenständige portugiesische Kultur auf die rohe Kraft des Ozeans.